Freiheit
Eine Katze ohne jede Einschränkung kommen und gehen zu lassen, wie und wann sie will – womöglich auch nachts – ist kein Beweis für wahre Katzenliebe oder für Kenntnisse von Katzenverhalten und ihren Bedürfnissen. Sondern schlicht und einfach Leichtsinn, Verantwortungslosigkeit, Gleichgültigkeit oder Bequemlichkeit (man braucht keine Katzentoilette putzen). Warum müssen eigentlich immer erst bei fast jedem Katzenbesitzer ein oder mehrere Tiere verloren gehen, oder noch häufiger sogar umkommen, bis auch der Letzte begriffen hat, dass man Katzen eben nicht so hält, wie es früher üblich und vielleicht auch möglich war. (Es gab mehr Platz, weniger gestresste, sprich aggressive, intolerante Mitmenschen.) Deshalb aber war das noch lange nicht richtig. Ganz sicher hat man aber auch damals von den so frei und unverbindlich gehaltenen Katzen nicht viel gehabt. Jedoch viel wichtiger und entscheidend ist die Tatsache, dass die Katzen bei dieser Form der Haltung nicht unbedingt glücklich waren.
90 % aller Katzen würden sich mit Sicherheit für die Wohnung entscheiden. Weil diese ihnen neben allen Annehmlichkeiten, eine enge Beziehung mit viel Nähe zu ihren Menschen, Sicherheit und Ordnung im Sinne von festgelegten Abläufen und Geborgenheit bietet.
Damit will ich auf gar keinen Fall sagen, dass man Katzen nur als Wohnungskatzen halten sollte, dass nur so gehaltene Katzen glückliche Katzen sind. Das idealste Zuhause für eine Katze ist ohne Zweifel, eine Wohnung mit Dachterrasse oder das Einfamilienhaus mit Garten. Eine Wohnung mit der Möglichkeit, das Tier kontrolliert ins Freie zu lassen, ohne Haupt- oder Durchgangsstrasse vor der Tür. Die Betonung liegt auf dem zeitweisen, kontrollierten Hinauslassen. Wenn sie neue Katzen, egal ob junge oder ältere zu sich in die Familie nehmen, haben sie die grösste Chance, mit einer von Anfang an konsequent durchgezogenen Erziehung, für viele Jahre eine Superkatze zu besitzen. Vor allem junge Katzen, die man Tag und Nacht kommen und gehen lässt, wie es ihnen passt, die man nicht an fixe Fütterungszeiten, welche gleichzeitig auch die „Heimkommenszeiten“ sind, gewöhnt, bauen keine enge Beziehung zu ihrer Familie auf. Katzen besitzen ein überdurchschnittlich gutes Zeitgefühl und lassen sich deshalb problemlos an einen Tagesablauf gewöhnen. Man kann und soll Katzen ruhig auch mal ein oder zwei ganze Tage im Haus behalten, vorwiegend natürlich bei schlechtem Wetter, um sie wirklich in die Familie zu integrieren und zu verhindern, dass aus ihnen Herumtreiber werden.
Am besten, zuverlässigsten und ordentlichsten sind jene Katzen, die sieben bis acht Monate (bis nach ihrer Kastration), als reine Wohnungskatzen gehalten werden. Die höchstens dann,wenn ihre Menschen im Garten arbeiten oder sich dort ausruhen, mit dabei sein dürfen.
Ganz wichtig ist, dass man eine freilaufende Katze am Morgen nur mässig füttert und ihr am Abend die Hauptmahlzeit gibt. Danach darf sie dann natürlich nicht mehr hinaus. Das bedeutet, dass man im Sommer, wenn man selber lange draussen ist und das Haus, die Wohnung abends noch offen ist, die Katze erst dann gefüttert wird, wenn alle drinnen sind und Fenster und Türen geschlossen werden. Selbst die noch so gut erzogene Katze sieht man, hat sie erst einmal den Bauch voll, in einer warmen Sommernacht frühestens am nächsten Morgen wieder. Für eine Katze ist es das Grösste, möglichst viel und eng bei ihren Menschen zu sein. Sie liebt ihre Menschen ohne jeden Zweifel mehr als ihre Artgenossen und die sogenannte Freiheit. Was nicht ausschliesst, dass es nicht aus einem Dutzend von Gründen immer richtiger und katzengerechter ist, von Anfang an zwei zueinander passende Katzen statt nur einer zu halten. Vor allem in einer Wohnung.
Die häufigsten Gefahren draussen, vor allem für jüngere, unerfahrene und besonders zutrauliche Katzen sind:
Dass sie, weil sie so niedlich sind, von Kindern hochgenommen, mitgetragen und ausserhalb ihrer gewohnten Umgebung wieder abgesetzt werden. Oder sie werden von Hunden gejagt, laufen zu weit mit älteren Katzen mit – sofern sie diese lassen. Dann finden sie oft nicht mehr nach Hause und irren ängstlich umher. Besonders zutrauliche Katzen laufen, weil sie sich langweilen, kläglich miauend Spaziergängern nach und werden als vermeintlich ausgesetzte Katzen im besten Fall im nächsten Tierheim abgegeben.
Extrem neugierig und unternehmungslustig wie sie nun einmal sind, steigen sie gerne in offene Keller und Fenster ein. Vor allem in der warmen Jahreszeit klettern sie in Autos und auf Ladeflächen von Lieferwagen. Sogar in grosse Sattelschlepper, deren Türen und Fenster bei Hauslieferungen offen bleiben. Wenn ordentliche Hausfrauen, vor allem im Frühling bei den ersten Sonnenstrahlen das ganze Haus vom Keller bis zum Dachboden aufreissen und durchlüften, dringen sie nicht selten in die entlegensten Winkel vor. In 99 % aller Fälle geschieht dies unbemerkt von den Haus‑, Wohnungs- und Fahrzeugeigentümern. Betritt dann jemand den Raum oder nähert sich dem Fahrzeug, macht sich die Katze vor Schreck „unsichtbar“, sprich zwängt sich in schmalste Ritzen oder unter die Sitze. Sobald Fenster oder Türen dann geschlossen werden, sitzt das arme Tier in der „Falle“. Häuser und Wohnungen bleiben wenigstens an Ort und Stelle und wenn man, den Namen des Tieres rufend, immer wieder durch das Quartier läuft, hat man eine reelle Chance, dass die Katze irgendwann zermürbt von Angst und Hunger sich doch mal getraut, zu antworten. Die meisten Nachbarn werden sicher einverstanden sein, wenn man selbst einmal nachsieht. Die verängstigte Katze kommt, wenn überhaupt, nur bei den Besitzern aus ihrem Versteck und das am ehesten nachts, wenn es ruhiger ist. Am aussichtsreichsten ist es, wenn Fenster und Türen noch einmal für längere Zeit offen gelassen werden und die Katze heimlich, wie sie gekommen ist, wieder verschwinden kann.
Die Gefährlichkeit von Autos können junge Kätzchen gar nicht, ältere, erfahrene Tiere nur schwer einschätzen. Besonders gefährlich in Bezug auf den Verkehr ist der nächtliche Freilauf.
1. Entfernt sich die Katze nachts viel weiter vom Haus als tagsüber – alle Katzen leben in der irrigen Vorstellung, dass die Dunkelheit ihnen Schutz bietet.
2. Am Tag herrscht auf den Strassen ständig Verkehr mit dem dazugehörigen Lärm und sonstiger Hektik.
Das hält viele Tiere davon ab, sich ihnen zu nähern oder sie zu überqueren. Nachts aber kommen die Autos in grossen Abständen, das wiegt die Katze in falscher Sicherheit. Dazu kommt, dass die Tiere vom Scheinwerferlicht geblendet werden und deshalb buchstäblich in die Autos hineinlaufen. Nächtlicher Auslauf ist auch deshalb so gefährlich, weil Katzenhasser und auch Jäger hauptsächlich im Schutz der Dämmerung und Dunkelheit agieren. Gefährlich für Katzen können auch fanatische Kleingärtner, selbsternannte Vogelschützer und Besitzer von Biotopen sein. Zugegeben, es ist nicht besonders lustig, wenn man im Frühling mit viel Mühe und nachfolgenden Rückenschmerzen seine Beete mit ganz feiner Erde vorbereitet und eingesät hat und dann kommt so ein freches Katzenvieh, gräbt begeistert in die schöne, lockere Erde ein besonders tiefes Loch und deckt, ordentlich und sorgfältig, wie sie nun mal sind, dieses samt stinkender Ausscheidungen mit viel Erde wieder zu. Beet und Aussaat sind hin. Die sogenannten Vogelfreunde sehen in der jeder Katze nur eine potenzielle Mörderin. Es interessiert sie nicht, dass Menschen, jene oft dazugehörend, durch Ansprüche und Lebensweise jährlich viel mehr Vögel und andere Kleintiere umbringen und ausrotten, als das Raubtiere jemals könnten. Meistens erschöpft sich die Leistung jener Spezies im Aufhängen eines Futterhäuschens im Winter. Den Garten vogelgerecht mit vielen Bäumen und Wildbeerensträuchern, angelegten Mauern, Wasserstellen usw. einzurichten, ohne kahl geschorene Rasenflächen und dauernd mit Gift behandelte exotischer Zierblumen, dazu reicht die Liebe oftmals doch nicht.
Biotopbesitzer sind leider oft auch nicht viel besser. Statt die angelegten Teiche und Tümpel einheimischen Wildtieren z.B. Molchen, Fröschen (da stört das Gequake), Libellen und Goldrandkäfern zu überlassen, besetzen sie die Feuchtgebiete lieber mit Goldfischen. Und wenn dann eine Katze hergeht und sich einen der edlen Zierfische angelt, dann ist der Teufel los.
Sehr gefährlich sind Tonnen im eigenen oder Nachbarsgarten, in denen Regenwasser gesammelt wird! Betroffen sind hierbei vor allem Jungtiere bis zum 2. Lebensjahr.
Ich kenne z.B. einen ganz traurigen Fall, wo eine ca. 7 Monate alte Katze täglich auch im benachbarten Garten herumtollte. Dort befand sich ein unabgedeckter Wasserbehälter, in dem sich im Winter eine dicke Eisschicht gebildet hatte. Auf dieser spielte die junge Katze oft mit grosser Begeisterung. Während einer Tauwetterperiode nun schmolz das Eis, doch die Katze war sich der Änderung der Umstände nicht bewusst und sprang wie gewohnt auf die – leider nicht mehr vorhandene Eisfläche. Da in der Tonne kein rettender Balken angebracht war, ertrank das arme Ding nach qualvollem Todeskampf ganz jämmerlich. Mindestens ebenso gefährlich für alle möglichen Tiere sind Schwimmbecken jeglicher Art.
Als Abschluss noch etwas über den Sinn und Unsinn von Katzentörchen. Wenn eine solche Einrichtung dazu dient, der Katze ein unkontrolliertes Kommen und Gehen zu ermöglichen, dann ist dies schlecht. Wenn man unvorhergesehen für einige Stunden weg muss und alles Rufen nichts nützt, weil Madame Katz gerade mit Wichtigerem beschäftigt ist, oder sie abends nicht pünktlich erscheint, ist eine Katzentüre sehr hilfreich. Das Tier kann jederzeit ins Haus zurück, aber nicht mehr verschwinden, wenn man die Türe dementsprechend einstellt. Dieser Artikel soll dazu dienen, Ihnen die häufigsten Gefahren, die Ihren Tieren draussen drohen, bewusst zu machen und Ihnen, wie auch Ihren Lieblingen ein sorgenfreies Zusammenleben ermöglichen helfen.
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