Ein Plädoyer für die erwachsenen Tiere!
Wer will schon einen ausgewachsenen, scheuen Kater (Winnie) haben?
Niemand (nur ich: weil mein absolut menschenfreundlicher Kater Rambo seit fast 1 Jahr verschwunden ist, doch das ist eine andere Geschichte …)
Wer wollte ihn haben, als er ganz alleine im Bauwagen mit Halskrawatte lag u. dachte, sein Leben ist jeden Moment vorbei? Niemand
Wer will ein Tier, das einen noch nicht einmal anguckt u. freudig auf einen zuläuft? Niemand
Vor allem, wenn der schon sooo alt ist (alle Tiere über Kittenalter sind sooo alt), kann der sich bestimmt nicht mehr auf neue Menschen, neue Umgebung u. neue Tiere umstellen! Ich sah ihn und sein offensichtliches Elend und konnte ihn nicht vergessen.
Da war was, ganz tief in mir, das wusste, er gehört zu uns (4 Menschen, 1 Kater, 1 Schildkröte).
Trotzdem (unverzeihlich) ließ ich ihn noch 1 Woche im Bauwagen sein Dasein fristen. Auch da wollte ihn NIEMAND haben.
- „Das ist bestimmt ein Streuner, den siehst Du nie wieder, wenn der erst einmal draußen ist.“
- „Der versteht sich bestimmt nicht mit Kwasi (Kater), weil er schon ausgewachsen ist.“
- „Der haut allein schon wg. Momo (Hund) ab.“
- „Der hat Schnappi (Schildkröte) bestimmt zum Fressen gern.“
- „Der hat Unarten, den kann man nicht mehr erziehen, geschweige denn, eine Bindung zu ihm aufbauen.“
- „Der hat so schlechte Erfahrungen mit Menschen, der dreht bei uns durch (vor allem, weil wir viel Kinderbesuch haben).“
(… Na, wer kann noch mitreden?) Der Kater — Winnie — kam.
Winnie lebte wochenlang unterm Sofa, hinterm Schrank. Winnie fauchte u. kratzte, wenn man die Hand nicht im Schneckentempo zu ihm bewegte. Winnie hatte panische Angst vor uns 4 Menschen. Winnie ging lieber direkt am Hund entlang als an uns Menschen vorbei! Winnie wurde dann auch noch krank. Er wurde bei den „bösen“ Krankheiten positiv getestet. Diese Krankheiten sind ansteckend.
Wer will so ein Tier haben? Niemand. Winnie musste wieder in Quarantäne (aber bei uns Zuhause!) und die Sorgenfalten sowie die grauen Haare wurden mehr. Gedanklich baute ich schon das Haus um, damit Winnie als auch Kwasi Zuhause bleiben durften.
Doch die Aufklärung des Tierarztes (vielen Dank Dr. Boos) und der Zuspruch von der lieben Frau Hensler haben Winnie und auch Kwasi ein friedliches Miteinander im nicht umgebauten Zuhause ermöglicht.
Während der Quarantäne wurde Winnie zum Schmusen „verhaftet“. Als es ihm besser ging, durfte er sich wieder im ganzen Haus bewegen. Weil ich häufig des Nachts arbeite, saß er währenddessen im Türrahmen u. nutzte die Zeit, mich genau zu beobachten. Irgendwann (nach unendlichen „gefühlten Jahrzehnten“) kam er das 1. Mal auf meine ausgestreckte Hand zu u. ließ sich ohne Ende beschmusen.
Irgendwann strich er das 1. Mal an meinen Beinen vorbei. Irgendwann gab er mir das 1. Mal sein Köpfchen. Irgendwann lag auch er das 1. Mal auf meinem Schreibtisch, um mich beim Arbeiten zu beobachten (wie sein Kumpel Kwasi). Irgendwann zeigte er mir das 1. Mal seinen kleinen, dicken Bauch zum Streicheln.
Irgendwann spielte er bewusst das 1. Mal mit mir. Irgendwann durften die anderen menschlichen Hausbewohner ihn das 1. Mal streicheln … Und diese wunderbare Liste geht immer weiter. Fakt ist: Winnie‘s liebster Hausgenosse ist unser Hund.
Da wird geschmust, geputzt u. gespielt, was das Zeug hält. Zweitliebste Hausgenossen sind wir Menschen und dann kommt sein Kumpel Kwasi. (Das wird aber eher an Kwasi liegen, denn unser sensibles Kerlchen sucht noch jede Nacht (auch immer noch mal mit mir) seinen verschwundenen Kumpel Rambo.)
Winnie‘s liebste Beschäftigung ist das Fressen, was aber wohl eher auf seine Vergangenheit zurückzuführen ist u. sich sicherlich bald normalisieren wird. Am liebsten ist er im Haus, auch mal auf dem Balkon, denn da kann man in Sicherheit die Nachbarschaft „bespitzeln“.
Winnie ist der „Zwilling“ von unserem Hund, denn die tauchen immer nur zu zweit auf – aber auch mein höchstpersönlicher „Schatten“. Wenn Hund nämlich schlafen geht, ist mein Winnie immer noch bei mir u. leistet mir Gesellschaft. Winnie ist so was von „treu ergeben“, verschmust u. liebevoll, da ist schon mehr als nur eine „Bindung“.
Winnie ist das Beste, was uns allen passieren konnte! Übrigens ist im Haus nix kaputt u. auch Schnappi lebt noch – die wird zwar beobachtet – aber zum Fressen hat er sie überhaupt nicht gern (ist ja auch keine Lasagne)!
Wer würde wieder und jederzeit, wenn meine Jungs über die Regenbogenbrücke gehen, ein ausgewachsenes, scheues, unzugängliches Tier aufnehmen? ICH!
Jedes Tier verdient es, in seinem doch kurzen Leben (verglichen mit Menschenalter), respekt- und liebevoll behandelt zu werden, erst recht, wenn dem schon etliche schlechte Jahre vorausgegangen sind! Man erhält im Gegenzug so viel zurück, dass man das nicht in Worte fassen kann!
Vielen Dank der Katzenhilfe – für die Vermittlung, Betreuung und den Zuspruch! In Erinnerung und in der Hoffnung auf ein Wiedersehen mit unserem Rambo
Sabine Bartel