Ein­zel­hal­tung

Ein­zel­hal­tung

8 Mil­lio­nen Kat­zen leben in deut­schen Haus­hal­ten. Die Mehr­heit wird nicht art­ge­recht gehalten. 

Eine küh­ne Behaup­tung? Kei­nes­wegs, son­dern die trau­ri­ge Bilanz lang­jäh­ri­ger Erfah­rung der Tier­schüt­zer. Ein Blick auf die Natur der Kat­ze macht deut­lich, wie ein art­ge­rech­tes Kat­zen­le­ben aussieht.

Kat­zen sind noch nicht lan­ge domes­ti­ziert, d.h. sie sind noch sehr ursprüng­lich und in den Bedürf­nis­sen ihren wil­den Vor­fah­ren sehr ähn­lich. Eine „nor­ma­le Kat­ze” ist vie­le Stun­den täg­lich auf Ach­se. Sie erkun­det, kon­trol­liert und mar­kiert ihr Revier, liegt auf der Lau­er, beob­ach­tet, jagt, spielt, rennt, räkelt sich in der Son­ne und hat diver­se Kon­tak­te zu Art­ge­nos­sen, denen sie freund­lich, feind­lich oder gleich­gül­tig gesinnt ist.

Dabei wer­den all ihre hoch ent­wi­ckel­ten Sin­ne gefor­dert, und die Kat­ze bleibt aus­ge­gli­chen und aktiv, was sich posi­tiv auf ihren Stoff­wech­sel und auf ihre Psy­che ausübt.

Um Ver­mu­tun­gen vor­weg zu grei­fen: Wir sind kei­ne Geg­ner der Wohnungshaltung.

Da nicht genü­gend (ver­kehrs­ru­hi­ge) Frei­gangs­plät­ze zur Ver­fü­gung ste­hen, ver­mit­teln wir sogar recht vie­le Kat­zen in rei­ne Woh­nungs­hal­tung. Hier­bei muss aber beach­tet wer­den, dass der Kat­ze in die­ser ein­ge­schränk­ten Hal­tungs­form ein Aus­gleich für die nicht mög­li­chen art­ge­mä­ßen Akti­vi­tä­ten geschaf­fen wird. Die natür­li­chen Lebens­ge­wohn­hei­ten müs­sen so gut wie mög­lich simu­liert wer­den, damit die Kat­ze phy­sisch und psy­chisch gesund bleibt. Vie­le Kat­zen­hal­ter ver­nei­nen dies und sind ernst­haft der Auf­fas­sung, dass es einer Kat­ze abso­lut aus­reicht, auf 45 m² als Ein­zel­tier zu leben.

Dem ist jedoch nicht so.

Da sich die Tie­re in einem sol­chen Lebens­raum nicht ent­spre­chend ihrer Art ver­hal­ten kön­nen, zei­gen sie IMMER – die einen frü­her, die ande­ren spä­ter – kör­per­li­che und/oder see­li­sche Fol­gen die­ser unna­tür­li­chen Hal­tungs­form. Men­schen, die ihre Kat­ze so hal­ten, erzäh­len zwar, wie super es der Kat­ze gehe und wie glück­lich sie sei, neh­men aber gar nicht wahr, was einem Außen­ste­hen­den sofort auf­fällt: Die Kat­ze ist zu dick, peitscht unun­ter­bro­chen mit dem Schwanz, kommt zum Strei­cheln, ver­weilt nicht lan­ge, legt die Ohren an, haut nach dem Hal­ter, geht hek­tisch im Flur auf und ab. Ihr Beneh­men gleicht dem eines Raub­tiers im Zoo, das zwang­haf­tes, neu­ro­ti­sches Ver­hal­ten zeigt. Die Hal­ter sind meist der Ansicht, die Kat­ze wäre glück­lich, wol­le gar nichts ande­res tun, als den gan­zen Tag auf der Hei­zung zu sit­zen und raus zu sehen, und – na ja – das biss­chen Über­ge­wicht käme daher, dass sie ihren Lecker­lis so zuge­tan sei.

Dass es sich in Wirk­lich­keit um eine unzu­frie­de­ne, über­ge­wich­ti­ge, gereiz­te Kat­ze han­delt, oder um ein Tier, wel­ches bereits resi­gniert und sich sei­nem unab­än­der­ba­ren Schick­sal gefügt hat, will kaum einer wahr­ha­ben, denn: Es „fehlt ihr doch an nichts”. Doch, tut es! Es fehlt ihr an allem, was sie zu einer Kat­ze macht, und es fehlt ihr der Kon­takt zu Art­ge­nos­sen.

Zwei Bei­spie­le: Buffy, eine zusam­men mit einem Geschwis­ter­chen ver­mit­tel­te Kat­ze, lan­de­te nach der Tren­nung ihrer Besit­zer ohne Art­ge­nos­sen in einer kar­gen 2‑Zim­mer-Woh­nung. Einem anony­men Hin­weis fol­gend, fan­den wir sie mit o.g. Ver­hal­tens­wei­sen vor. Sie wur­de dem Hal­ter schließ­lich auf­grund mehr­fa­chen Ver­trags­bru­ches weg­ge­nom­men. In der Pfle­ge­stel­le zeig­te sich, dass sie inzwi­schen völ­lig unso­zi­al gewor­den war. Sie drang­sa­lier­te die vor­han­de­ne Kat­ze hef­tig, und wir kamen zu dem Schluss, dass Frei­gang ihr mehr Lebens­qua­li­tät bie­ten wür­de. Durch eine Anzei­ge fand sich eine sehr ver­ständ­nis­vol­le und lie­be Fami­lie, bei der Buffy inzwi­schen ein gro­ßen Haus und Frei­gang genießt. Dies mach­te sie zu einer total aus­ge­gli­che­nen und ver­schmus­ten Kat­ze ohne jeg­li­che Verhaltensanomalien.

Eben­so erging es Juni, einer 4‑jährigen Ein­zel­kat­ze, die über­ge­wich­tig und antriebs­los war. Der Ein­zug einer jun­gen, spiel­freu­di­gen Kät­zin brach­te nach anfäng­li­chen Schwie­rig­kei­ten wie­der ech­te Lebens­freu­de für Juni. Sie wur­de von Tag zu Tag mun­te­rer, begann erst­ma­lig ihren Kratz­baum zu nut­zen und tobt heu­te mit Dai­sy aus­ge­las­sen durch die Bude. In den Ruhe­zei­ten kuscheln sie gemein­sam im Bett und genie­ßen ihr Beisammensein.

Bei­spie­le die­ser Art gibt es zuhauf. Das Tier wird abge­scho­ben, weil es „einen Knall hat”. Die Hal­ter sind jedoch nicht sen­si­bel genug, das abnor­ma­le Ver­hal­ten ihrer Kat­ze auf die Hal­tungs­form zu bezie­hen. Eine „nor­ma­le” Kat­ze (es gibt Aus­nah­men) in rei­ner Woh­nungs­hal­tung ohne Art­ge­nos­sen zu hal­ten, ist unge­fähr so, als wür­de man einen Men­schen auf einer ein­sa­men Insel aus­set­zen, wo er bis an sein Lebens­en­de nie wie­der einen ande­ren Men­schen sehen oder spre­chen kann. Wer wür­de da auf Dau­er nicht durchdrehen?

Selbst in kät­zi­scher Gesell­schaft wür­de man sich doch irgend­wann nach einem mensch­li­chen Wort und einer mensch­li­chen Berüh­rung seh­nen. Eben­so ergeht es der Kat­ze, der eine kät­zi­sche Gesell­schaft ver­wehrt wird. Ein Mensch kann einer Kat­ze nicht das geben, was eine Kat­ze ihr geben kann. Wir kön­nen dem Tier nicht rund um die Uhr Anspra­che bie­ten, mit ihm toben und rau­fen, sein Fell mit der Zun­ge abschle­cken, wie es der Art­ge­nos­se tut.

Woh­nungs­kat­zen sind auf­grund feh­len­den Aus­laufs schnell unter­for­dert; Lan­ge­wei­le kommt auf, es ent­wi­ckeln sich Unar­ten, weil die Kat­ze nach Beschäf­ti­gung sucht. Dar­un­ter lei­den dann nicht nur Möbel, Tape­ten oder Arme und Bei­ne des Besit­zers. Es kann auch leicht zum Pro­test kom­men: Die Kat­ze wird unsau­ber oder neurotisch.

Eine kat­zen­ge­rech­te Gestal­tung der Wohn­räu­me und die Gesell­schaft eines Art­ge­nos­sen kön­nen hier Abhil­fe schaf­fen! 80% der Tie­re, die auf­grund von Ver­hal­tens­stö­run­gen abge­ge­ben wer­den, sind Ein­zel­kat­zen, die in rei­ner Woh­nungs­hal­tung gelebt haben! Wenn sie nicht psy­chisch gestört sind, han­delt es sich zumeist um Kat­zen, die sich aus Frust und Lan­ge­wei­le dick und rund gefres­sen haben; mit ver­hee­ren­den Fol­gen für die Gesund­heit: Stoff­wech­sel­stö­run­gen, Harn­gries, Dia­be­tes, Herz­er­kran­kun­gen etc. Natür­lich spielt hier auch die Grö­ße der Woh­nung eine Rolle.

Je klei­ner das Domi­zil, um so schnel­ler kennt die Kat­ze alles in- und aus­wen­dig und es man­gelt ihr an Beschäf­ti­gung und an Bewe­gung. Wie soll sie sich auf 55 m² aus­to­ben und ihre Ener­gie abbau­en? Dazu braucht es schon etwas mehr Platz, und — neben hin­rei­chen­den Spiel‑, Ver­steck- und Klet­ter­mög­lich­kei­ten — eine zwei­te sozia­le Kat­ze, die sie auf Trab hält, moti­viert, zum Bal­gen und Ren­nen auffordert.

Hier­bei ist zu beach­ten, dass nicht zu lan­ge mit der Anschaf­fung einer Zweit­kat­ze gewar­tet wird, damit das vor­han­de­ne Tier sich nicht schon zum unge­sel­li­gen Allein­herr­scher ent­wi­ckelt hat. Ent­ge­gen land­läu­fi­ger Mei­nung sind Kat­zen übri­gens in den sel­tens­ten Fäl­len ech­te Ein­zel­gän­ger – ledig­lich beim Jagen trifft dies zu.

Frei leben­de Kat­zen bil­den sogar gro­ße Kolo­nien, in denen sie frei­wil­lig zusam­men­le­ben, aber auch eine Haus­kat­ze hat drau­ßen vie­le Sozi­al­kon­tak­te. Lei­der ist es so, dass – egal ob mit oder ohne Art­ge­nos­sen – die meis­ten Kat­zen eher nicht für rei­ne Woh­nungs­hal­tung geeig­net sind. Domi­nan­te, intel­li­gen­te und stol­ze Tie­re mit gro­ßem Bewe­gungs- und Frei­heits­drang, sowie Kat­zen, die kein Inter­es­se an Art­ge­nos­sen zei­gen, und sol­che, die bereits Frei­lauf genos­sen haben, benö­ti­gen für ihre Zufrie­den­heit regel­mä­ßi­gen Frei­gang. Natür­lich ist es „mög­lich”, eine Kat­ze in einer klei­nen Woh­nung zu hal­ten — Mil­lio­nen von Kat­zen fris­ten so ihr Dasein. Tau­sen­de von Tier­ärz­ten, Psy­cho­lo­gen und auf­merk­sa­men Tier­hal­ten berich­ten aber von eben­so vie­len kör­per­lich und/oder see­lisch kran­ken Kat­zen, deren Leid auf die wider­na­tür­li­che Hal­tungs­form zurück­zu­füh­ren ist. Und auch wenn es weit­aus mehr Kat­zen als ihren Bedürf­nis­sen ent­spre­chen­de Unter­brin­gungs­mög­lich­kei­ten gibt, darf die Kon­se­quenz nicht dar­in lie­gen, den Tie­ren ein nicht art­ge­rech­tes Leben zuzumuten!

Viel­mehr muss dar­auf abge­zielt wer­den, die Über­po­pu­la­ti­on durch strik­te Kas­tra­ti­on zu mini­mie­ren und so in den Genuss der Wahl­mög­lich­keit zu gelan­gen. Das ist ver­ant­wor­tungs­be­wuss­ter Tierschutz.

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